In Unternehmen ist Controlling eine Selbstverständlichkeit, in Behörden jedoch hat es einen schweren Stand. Prof. Dr. Bernhard Hirsch und Philipp Herrmann von der Universität der Bundeswehr in München über Herausforderungen bei der Implementierung und warum Controlling auch bei Themen wie Nachhaltigkeit entscheidend ist.
Gerade in Krisenzeiten kann Controlling in Behörden einen Unterschied machen. „Wir haben das während der Flüchtlingskrise im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gesehen“, stellt Prof. Dr. Bernhard Hirsch fest. Er ist Direktor des Instituts für Controlling, Finanz- und Risikomanagement der Universität der Bundeswehr München und Leiter des Arbeitskreises Steuerung und Controlling in öffentlichen Institutionen. „Zu Beginn der Krise wusste das Amt nicht, wie viele Flüchtlinge kamen. Das Controlling begann erst, als Frank-Jürgen Weise als neuer Chef das Amt übernahm.“
Controlling schafft Transparenz. Erst wenn die Fakten klar sind, ist überhaupt eine effektive Steuerung von Organisationen möglich. Entscheidungsträger brauchen die relevanten Informationen und Kennzahlen, um Prozesse zu kontrollieren und zu optimieren. In Unternehmen gibt es gar keine Diskussionen darüber, ob Controlling sinnvoll ist. Behörden hingegen tun sich damit schwer.
Controlling ist entscheidend für ein gutes Krisenmanagement
„Im Unterschied zu Behörden ist Controlling in Unternehmen etabliert“, stellt Prof. Dr. Bernhard Hirsch fest. „Da Unternehmen Gewinne erwirtschaften sollen, hat das Management ein Interesse an Informationen, die die finanzielle Situation beeinflussen.“ Anders ist die Lage jedoch bei Behörden. Diese sehen zum einen nicht immer eine wirtschaftliche Notwendigkeit für ein Controlling. Zum anderen seien sie stark durch „legalistisches Handeln“ geprägt. Um aber etwa Krisen zu managen, reiche rechtskonformes Handeln allein nicht aus, findet Prof. Hirsch.
Die Herausforderung im öffentlichen Sektor besteht darin, die Effizienz und Effektivität bei der Erbringung von Dienstleistungen zu gewährleisten und gleichzeitig Gesetze und Regularien einzuhalten. Die Verwaltung soll nicht Gewinne maximieren, sondern gesellschaftliche und politische Aufgaben erfüllen. Das Controlling in Behörden muss daher auf andere Kennzahlen zurückgreifen. „Controlling ist wichtig, um eine Behörde überhaupt steuern zu können“, sagt Prof. Hirsch. „Die zu erfassenden Zahlen müssen dabei nicht unbedingt finanzielle Kennzahlen sein. Das kann die Zahl der erledigten Steuererklärungen sein, die Servicequalität der KfZ-Zulassungsstelle oder die Zufriedenheit von Kunden, beziehungsweise von Bürger*innen mit einer jeweiligen Dienstleistung.“
Bundesagentur für Arbeit – Vorbild in Sachen Controlling
Vorbildlich sei das Controlling bei der Bundesagentur für Arbeit. Ihre Ziele ließen sich aber auch gut messen, da sie oft sehr konkret seien. Zum Beispiel: Wie viele Menschen wurden in eine Arbeitsstelle vermittelt? Wie lange waren diese Menschen arbeitslos? Bei der Bundeswehr hingegen werde es schwieriger, da die Verteidigungsfähigkeit recht abstrakt sei. „Aber auch dort können Kennzahlen bestimmt werden: Etwa wie die Einsatzbereitschaft von Truppenteilen oder die Verfügbarkeit von Panzern.“
Wichtig sei, dass die Verwaltungsleitung überhaupt den Willen habe, sich messen zu lassen. Will man wirklich wissen, was passiert und wie die aktuelle Lage ist? Und gibt es die Anspruchshaltung, mit diesem Wissen etwas zu verändern? „Wenn Zahlen einfach nur zur Kenntnis genommen werden, aber nichts aus ihnen folgt, dann kann man sich die Arbeit auch sparen“, stellt Prof. Hirsch fest.
Nachhaltigkeit – welche Kennzahlen wichtig werden
Ein neuer Trend sind Nachhaltigkeitsberichte von Behörden. „Bei diesem Thema stehen wir derzeit mit unseren Mitgliedern aus dem Arbeitskreis in engem Austausch“, sagt Prof. Hirsch. Welche Kennzahlen hier in Zukunft wichtig werden könnten, wird derzeit diskutiert, so Philipp Herrmann. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Controlling an der Universität der Bundeswehr München und Koordinator des Arbeitskreises Steuerung und Controlling in öffentlichen Institutionen. Nachhaltigkeit umfasst eine Vielzahl von Aspekten, die ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen berücksichtigen. Die Ermittlung der richtigen Kennzahlen und deren Integration in das Controlling kann aufgrund dieser Komplexität eine Herausforderung darstellen. „Auch bei diesem Thema stellt sich die Frage, ob die Kennzahlen, die erhoben werden, nicht nur für das Reporting genutzt werden, sondern auch dafür, sich eigene Ziele zu setzen. Ein Beispiel kann sein, wie weit man auf dem Weg zur CO2-Neutralität ist“, so Herrmann.
Eine Frage von Ressourcen
Auch wenn Controlling wichtig ist – nicht immer verfügen Behörden über ausreichende Ressourcen. Die Einführung eines umfassenden Controlling-Systems erfordert spezielles Know-how. Der Verwaltung kann es allerdings an Fachwissen und Erfahrung mangeln. Dies kann dazu führen, dass es schwierig ist, geeignete Kennzahlen und Indikatoren zu identifizieren, die für eine effektive Steuerung und Überwachung, etwa von Nachhaltigkeitszielen, erforderlich sind. „Wir wissen von unseren Mitgliedern, dass es für diese Aufgabe in der Regel keine zusätzlichen Mittel gibt“, sagt Prof. Hirsch. „Es ist dasselbe Phänomen wie bei der Digitalisierung. Die Aufgaben kommen on top.“ Je nachdem, wie wichtig der Behördenleitung Controlling ist, wird den Kennzahlen auch mal mehr und mal weniger Aufmerksamkeit geschenkt. „Das ist auch Überzeugungsarbeit“, sagt Prof. Hirsch. Denn auch manche Mitarbeiter*innen stünden dem Thema kritisch gegenüber. „Manchmal ist das auch mit Schmerzen verbunden.“
Henning Zander