Herr Professor Jäschke, ab 1.1.2023 findet die Regelung des §2b UStG erstmals allgemein Anwendung, bisher galt noch eine Übergangsfrist. Was bedeutet das – ganz allgemein gesprochen – für die Kommunen?
Prof. Dirk Jäschke: Mit der erstmaligen Anwendung der Neuregelung des § 2b UStG können bei einer Kommune deutlich mehr Sachverhalte als bisher der Umsatzsteuer unterliegen. Denn anders als bisher sind zum Beispiel Einnahmen aus Vermögensverwaltung sowie aus Tätigkeiten unterhalb der Umsatzgrenze von 35.000 Euro beziehungsweise 45.000 Euro grundsätzlich steuerbar. Auf die Abgrenzung zwischen hoheitlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten kommt es umsatzsteuerlich nicht mehr an. Die Grundsätze der Beistandsleistungen finden umsatzsteuerlich etwa im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit keine Anwendung mehr.
Welche Tätigkeiten müssen nun umsatzsteuerlich durchleuchtet werden?
Im Grundsatz geht es darum, alle Tätigkeiten einer Kommune daraufhin zu überprüfen, ob die Kommune daraus unternehmerisch tätig wird im Sinne des Umsatzsteuergesetzes. Üblicherweise wird hierfür eine Einnahmen- und Vertragsinventur durchgeführt. Aber mindestens genauso wichtig wie eine solche Einnahmen- und Vertragsinventur ist die Einführung eines Tax Compliance Management Systems, um so bei später gleichwohl festgestellten Lücken in der Steuererklärung der Kommunen zu dokumentieren, dass die Verantwortlichen in der Kommune sich angemessen bemüht haben, die steuerlichen Pflichten einzuhalten und sie nicht etwa Besteuerungslücken billigend in Kauf genommen haben.
Bringt der §2b UStG auch Möglichkeiten für die Kommunen mit sich, die es vorher nicht gab? Können zum Beispiel Investitionen durch den Vorsteuerabzug entlastet werden?
Das neue Umsatzsteuerrecht führt für die Kommunen zunächst einmal zu Mehrarbeit. Die Vorbereitung auf die Rechtsänderung bindet Ressourcen. Allgemein kommt es zu einer Ausweitung der umsatzsteuerbaren Sachverhalte. Das Abkoppeln der Umsatzsteuer von der Körperschaftsteuer führt zu einer Verkomplizierung des Steuerrechts. Tatsächlich haben Sie mit einer Ausweitung des Vorsteuerabzugs in Ihrer Frage den wesentlichen Vorteil der Einführung des § 2b UStG genannt. Dieser Vorteil greift allerdings nur ein, wenn die korrespondierenden Ausgangsumsätze künftig umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig sind. Außerdem kann die Neuregelung des § 2b UStG im Einzelfall die Möglichkeit eröffnen, die Leistungsbeziehungen steueroptimiert zu gestalten.
Das Sächsische Staatsministerium der Finanzen hat für Teilbereiche ein Tax Compliance Management System (TCMS) entwickelt. Welche Erfahrungen haben Sie in der praktischen Umsetzung gemacht?
Ich kann hier nur von meinen persönlichen Eindrücken und Erfahrungen berichten. Allgemein ist nach meinem Eindruck das Herstellen von Prozesstransparenz durch ein TCMS sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance. Die Entwicklung eines TCMS bindet Ressourcen. Dabei muss es aus meiner Sicht das Ziel sein, das Thema Steuern in einer Behörde nicht überzustrapazieren. Man sollte sich immer die Frage stellen: Wo hört Tax Compliance auf, und wo beginnt „enthaftender“ Bürokratismus. Zu den Chancen eines TCMS gehört es, dass man danach seine Risiken und Lernfelder kennt. Ein TCMS vermittelt ein „Gefühl der Sicherheit“ bei Organen und Verantwortlichen, die in einer Steuerfunktion arbeiten.
Vielen Dank!