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Symbolbild: Eine Hand hält ein Mobiltelefon, auf dem News zu Corona zu sehen sind.

Gastkommentar: In der Corona-Kommunikation haben wir Vertrauen verspielt

In der Corona-Krise wurde viel zu viel kommuniziert und dadurch das Vertrauen in den Staat und wissenschaftliche Institutionen verspielt. Unser Gastautor Benjamin Waschow, Leiter der Unternehmenskommunikation des Universitätsklinikums Freiburg, zieht ein kritisches Fazit aus zwei Jahren Corona-Kommunikation und zeigt Alternativen auf, wie Verantwortliche besser hätten kommunizieren können.

Seit über zwei Jahren beherrscht das Thema Corona die Medien, den gesellschaftlichen Diskurs, uns alle. Die Corona-Krise war und ist dabei auch eine kommunikative Krise. Die Kommunikationsabteilungen in Krankenhäusern, universitären Einrichtungen und Ministerien standen vor einem bis dahin kaum gekannten Ansturm von Medienanfragen. Der Reflex ist, möglichst alle Anfragen zu bedienen und sich zu allem zu äußern.

Zu guter Kommunikation gehört aber auch, zu wissen, wann man nicht kommuniziert.Und das haben wir Kommunikatorinnen und Kommunikatoren leider viel zu selten getan. Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie schnell sich die allgemeine Lage, die Einschätzungen und Prognosen ändern können.

Der Sachverständigenausschuss zur Corona-Politik schreibt in der Evalution der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik  vom Juni 2022:

„Und ein ,Zuviel‘ an Kommunikation kann auch zur Verunsicherung beitragen, die wiederum anfällig für Falsch- und Desinformationen macht oder im schlechtesten Fall zum kompletten Rückzug führt.“

Einer unserer Fehler war, dass wir Wissenschaftskommunikation betrieben haben. So wichtig und richtig Wissenschaftskommunikation für den gesellschaftlichen Diskurs ist, es war die falsche Zeit dafür. Wir hatten es mit der größten Krise seit Ende des 2. Weltkriegs zu tun und da hätte eigentlich klar sein müssen: Wir wenden die Instrumente der Krisenkommunikation beziehungsweise der Risikokommunikation an.

Das hätte unter anderem bedeutet:

  • Nicht jeder Virologe twittert täglich zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die eine Halbwertszeit von 24 Stunden haben.
  • Der Austausch unter Wissenschaftler*innen kann in einer Krise, in der Millionen verunsicherter Bürger*innen mitlesen, nicht über Twitter erfolgen.
  • Der Versuch einiger Wissenschaftskommunikator*innen, einem ganzen Land innerhalb weniger Wochen beizubringen, wie wissenschaftliche Diskurse ablaufen, zeugt von einer gewissen Hybris. Das ist nicht möglich und muss auch nicht sein.

Die Medien haben sich schier überboten mit Sondersendungen, Talkshows und Extra-Ausgaben. Oftmals ohne dabei neue Informationen zu verbreiten (die es eben nicht gab). Immer mehr Expert*innen wurden zu immer mehr konstruierten Themen interviewt.

Und wir Kommunikationsverantwortlichen? Wir haben gerne mitgemacht. Nach dem Motto: Den eigenen Experten in den Tagesthemen untergebracht, Institution genannt, Logo im Bild, Mission erfüllt. – Das war falsch!

Wir haben gerade auch in der Kommunikation eine gesellschaftliche Verantwortung. Kommunikation in einer so gewaltigen Krise sollte dem Gemeinwohl dienen, nicht bloß der eigenen Einrichtung oder der Profilierung einzelner.

Während einer so außergewöhnlichen Krise suchen die Menschen nach einfachen Erklärungen, sie suchen nach Halt, nach Lösungen. Und deshalb tragen wir eine enorme Verantwortung darüber, wie wir kommunizieren, was wir kommunizieren, wann wir kommunizieren und wen wir kommunizieren lassen.

Kommunikation in einer Krise muss Vertrauen schaffen.

In diesem Fall wurde das Vertrauen verspielt.

Die Entscheidungen von Institutionen wie dem Robert-Koch-Institut, der STIKO, dem Paul-Ehrlich-Institut und der Leopoldina wurden und werden von manchen Wissenschaftler*innen nicht akzeptiert. Sie werden innerhalb von Minuten kommentiert und in Frage gestellt. Fazit: Wem soll man glauben? Verheerend für eine verunsicherte Bevölkerung.

Der sicherlich wichtige und richtige wissenschaftliche Diskurs hätte hinter den Kulissen in den Institutionen, über die Fachgesellschaften geführt werden müssen. Nicht vor einer Öffentlichkeit, die sich von einem Virus bedroht fühlt, die verängstigt ist, die völlig überfordert ist; die Antworten verlangt, die Halt braucht.

Die Kommunikation, die wir erlebt haben, untergräbt das Vertrauen in staatliches Handeln, aber auch in die wissenschaftlichen Institutionen. Und damit gefährdet sie den Erfolg von wichtigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie.

Es gab viel zu viele Einzelstimmen in dieser Kommunikation. Was wir gebraucht hätten, wäre ein kommunikativer Fokus auf wenige Institutionen (und Menschen), die in einfacher Sprache immer wieder den aktuellen Stand wiedergeben. Das klappt aber nur, wenn sich viele andere einfach zurücknehmen und die Kommunikation einigen wenigen überlassen, ohne diesen dann ständig reinzureden und das Kommunizierte zu kritisieren und anzuzweifeln.

Zu guter Kommunikation gehört zu wissen, wann man nicht kommuniziert.

Benjamin Waschow ist Leiter der Unternehmenskommunikation des Universitätsklinikums Freiburg.

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