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Seminar Krisenkommunikation: Vier Personen diskutieren eifrig

Interview mit Gudrun Aschenbrenner: Krisenkommunikation als Drahtseilakt

Wie kommunizieren Verwaltung und Behörden adäquat im Fall einer Krise? Wie wichtig ist ein Krisenkommunikationsplan? Wann geht man an die Presse? Wir sprachen mit Gudrun Aschenbrenner, Mitglied im Vorstand der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) darüber, was in Krisensituationen angemessen ist und welche Mechanismen in der AKDB im Falle eines Cyberangriffs greifen würden. Die AKDB versorgt als kommunaler Dienstleister Bund, Länder und Kommunen mit digitalen Tools und bietet mit dem Bürgerservice-Portal die reichweitenstärkste Plattform für Leistungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) an.

Frau Aschenbrenner, Krisenkommunikation ist ein Drahtseilakt, egal ob für öffentliche Stellen, Politik oder Unternehmen. Sehen Sie jedoch für Verwaltung und Behörden besondere Herausforderungen, die ein Wirtschaftsunternehmen nicht hat?

Krisenkommunikation ist selbstverständlich für jedes Unternehmen von zentraler Bedeutung. Es geht um Reputation, Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Und diese Begriffe sind besonders im Zusammenhang mit Behörden und öffentlichen Unternehmen wichtig. Es geht um Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger, es geht im Fall von Behörden auch um Geld des Steuerzahlers. Es geht, etwa im Falle eines Cyberangriffs, nicht selten auch um sensible Bürgerdaten, die geschützt werden müssen. Und es geht um das Gemeinwohl und die Daseinsvorsorge. Da ist es nur zu verständlich, dass öffentliche Stellen verpflichtet sind, mit größter Transparenz zu kommunizieren. Das gilt ganz besonders in Krisensituationen.

Um in einer Krise gut zu kommunizieren, muss sie erstmal in ihrem Ausmaß erfasst werden, bevor ein Pressesprecher an die Öffentlichkeit treten kann. Wie findet eine öffentliche Einrichtung dafür den richtigen Zeitpunkt?  

Das ist eine gute Frage! Das Ausmaß des Schadens für ein öffentliches Unternehmen und dessen Kunden ist nicht immer sofort ersichtlich. Oft entpuppen sich vermeintliche Krisen als lösbare Probleme, die in den Griff gebracht werden können, bevor Auswirkungen in der Öffentlichkeit überhaupt erkennbar sind. Sobald das hingegen zu befürchten ist, muss über die richtige Kommunikation Klarheit bestehen. Und dann ist Schnelligkeit gefragt. Wir rufen den Krisenstab jedenfalls lieber einmal zu oft als zu selten ein. Better safe than sorry.

Was muss im Falle einer Krise beachtet werden?

Am Anfang eines Krisenfalls müssen die Zielgruppen eingegrenzt werden, die informiert werden müssen. Das sind auf jeden Fall die Kunden und Mitarbeitende, die Kontakt zum betroffenen Kundenkreis haben. Ist der Schaden von öffentlichem Interesse, etwa wenn Bürgerdaten in Gefahr sind, dann muss auch die Presse als Multiplikator informiert werden. Und selbstverständlich auch Ministerien, Aufsichtsgremien und eine Vielzahl weiterer Institutionen. Wichtig ist, hier klare Ansprechpartner und Verantwortliche zu benennen, um auch auf Rückfragen zeitnah und kompetent reagieren zu können. Die Mitarbeitenden dürfen nicht vergessen werden. Wer will schon aus der Zeitung von Problemen in der eigenen Behörde oder im eigenen Unternehmen erfahren? In allen Situationen die Kommunikationshoheit zu behalten, ist das Maß aller Dinge.

Gibt es für die AKDB mit über 900 Mitarbeitenden einen Krisenkommunikationsplan? Wie würde – sagen wir im Falle eines Cyberangriffs – reagiert werden?

Wir haben eine Kommunikationsabteilung, die nach außen kommuniziert und einen definierten Personenkreis, der im Krisenfall nach innen kommuniziert. Die zwei Bereiche stimmen sich immer eng miteinander ab, wenn ein so genannter „K-Fall“ eintritt. Wir haben ein Intranet, das für optimale Transparenz sorgt und über dessen Timeline wir in Echtzeit mit allen Mitarbeitenden kommunizieren können. Das ist wichtig, weil Mitarbeitende unsere Botschafter nach außen sind. Daher müssen sie bestens informiert sein.

Gerade im Zuge des Ukraine-Kriegs beobachten wir besonders aufmerksam die Lage. Wir entwickeln ja nicht nur Software für Kommunen, sondern hosten auch Teil ihrer IT in unserem Rechenzentrum. Das ist selbstverständlich BSI-zertifiziert, das heißt, es entspricht den höchsten Sicherheitsstandards.

Natürlich haben wir einen Krisenkommunikationsplan, aber wir überarbeiten ihn regelmäßig, denn die Auslöser von Krisen verändern sich mit den Jahren. Ging es früher etwa um die Sorge, dass im Rechenzentrum ein technisches Problem auftritt, so treibt uns alle heute die Thematik Cyberangriffe um. Für Krisenfälle haben wir einen Krisenstab eingerichtet, zu dem neben Vertretern aus dem Management und der IT, auch Mitarbeitende aus Kundendienst, Vertrieb und Kommunikationsabteilung gehören. Die Fachexperten in der AKDB grenzen das Ausmaß des Schadens ein, dann werden die relevanten Zielgruppen bestimmt und in der richtigen Reihenfolge informiert.

Auch wenn das Ausmaß des Schadens noch nicht absehbar ist, dann ist es trotzdem wichtig, dass die Zielgruppen in regelmäßigen Abständen informiert bleiben. Und sei es mit der Aussage, dass wir die Ursachen noch nicht herausgefunden haben oder an der Beseitigung der Störung arbeiten. Jede Kommunikation muss sachlich zutreffend wiedergeben und für die entsprechende Zielgruppe verständlich sein. Gerade bei technischen Sachverhalten, die unter Zeitdruck ermittelt wurde, verlangt das viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Nichts ist aber schlimmer, als sich in Schweigen zu hüllen. 

Kann man den Umgang mit Krisen proben?

Vorneweg: Jede Krise ist neu und hat andere Ursachen, es gibt also immer unbekannte Variablen. Aber ja: Man muss Krisen proben. Der erste Schritt ist, wie gesagt, einen Krisenstab einzurichten, der immer, zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar ist und zusammengerufen werden kann. Und nach jeder echten oder geprobten Krise steht ein ehrliches Review. Was hat funktioniert und wo müssen wir noch besser werden?

Auf den Sozialen Medien ist es an der Tagesordnung, auf Krisen mit Hass und Häme zu reagieren. Trotzdem müssen Social-Media-Verantwortliche souverän bleiben. Wie behält man die Nerven, wenn der Druck, der durch die Krise ohnehin schon da ist, von außen noch befeuert wird?

Auch hierbei muss abgewogen werden: Handelt es sich um eine größere Krise, die für die große Allgemeinheit von Relevanz ist? Dann muss die Social-Media-Abteilung die Kanäle unbedingt bespielen. Ob man jetzt auf jede hämische Bemerkung antworten sollte, sei dahingestellt. Manchmal gibt es ja auch Trittbrettfahrer oder Trolls. Sachlich bleiben, ruhig, sich nicht treiben lassen auf Social Media, die ja von der kurzlebigen Emotion leben.

Wir kommunizieren im Krisenfall direkt über unsere Homepage und haben extra eine Seite eingerichtet und gelayoutet, die in solch einem Fall freigeschaltet wird. Hier gibt es dann regelmäßige Updates mit Datumsangabe, damit man als Besucher der Website den Verlauf der Krisensituation chronologisch verfolgen kann. In den sozialen Medien würden wir auf diesen Bereich auf der Homepage verweisen. Denn in 280 Anschlägen kann man oft komplexe Sachverhalte nicht hinreichend erklären.

Vielen Dank für das Interview!

Gudrun Aschenbrenner ist seit 1. Februar 2018 Mitglied des Vorstands der AKDB. Im Februar 2013 wechselte sie von der Universität Regensburg zur AKBD und übernahm die Leitung der Abteilung Zentrale Services. An der Universität Regensburg war Gudrun Aschenbrenner seit 2007 als Leiterin der Personalabteilung und ab 2009 zusätzlich in der Funktion der Vizekanzlerin tätig. Die studierte Juristin trat 2001 in den Dienst des Freistaats Thüringen ein und arbeitete bis 2007 in verschiedenen Positionen im Landesverwaltungsamt, im Innenministerium, im Ministerium für Bau und Verkehr sowie als Leiterin Personal im Landesamt für Vermessung und Geoinformation.

Foto: AKDB

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