Ein smarteres, grüneres, sozialeres Europa: Das ist das Ziel von Dutzenden Fördermöglichkeiten, die sich aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) ergeben. Zu kompliziert, zu unübersichtlich? Nicht doch: Die Suche nach den richtigen Förderinstrumenten der EU ist tatsächlich weniger aufwändig als es den Anschein hat. Unser Autor Tim Müßle erklärt am Beispiel des Geothermie-Projekts in Schwerin, wie es geht.
Seit Jahren schon sitzt die Stadt Schwerin auf einem Schatz, der jetzt erst gehoben wird: Gut 1.300 Meter unter der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern fließt heißes Wasser durch das Gestein. Die Erwärme erhitzt diese Sole auf 56 Grad Celsius. Wärme, die die ganze Stadt gut gebrauchen kann, denn schließlich ist das Fernwärmenetz bereits weit ausgebaut. Die Stadtwerke kalkulieren: Rund 15 Prozent des Heizbedarfs lassen sich mit dieser Geothermie decken.
Fast zehn Millionen Euro für Geothermie-Projekt in Schwerin
Die Stadtwerke Schwerin gehen davon aus, rund 7.500 Tonnen Kohlendioxid jährlich sparen zu können. Doch Geothermie ist kostspielig. Um ihre Finanzierung sicherzustellen, kommen EU-Fördermittel ins Spiel, genauer: Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), da ist einer von mehreren ESI-Fonds. Klimaschutzziele gehören ausdrücklich zu den Zielen vieler dieser EU-Förderinstrumente.
9,2 Millionen Euro bekommen die Stadtwerke aus dem EU-Fonds für ihr Geothermie-Vorhaben. Christian Pegel, damals Energieminister von Mecklenburg-Vorpommern, übergab im Dezember 2015 die entsprechenden Zuwendungsbescheide an die Stadtwerke. 2018 begannen die Bohrungen, und im September 2022 erreichte der Bau der Geothermie-Anlage einen weiteren Meilenstein – die Anlieferung von Hochleistungs-Wärmepumpen. Damit können die Stadtwerke bedarfsgerecht und umweltschonend grüne Fernwärme produzieren.
EU-Fördermittel sind oft der Schlüssel für große Vorhaben
Zu den Schlüsseln dieser Zukunftstechnologie gehört die Förderung durch EU-Fonds. Doch gerade EU-Fördermittel stehen im Ruf, bei der Auswahl der geeigneten Instrumente und auch bei der Antragstellung arbeitsaufwändig zu sein. Der Trick der Stadtwerke: Sie haben bei der Antragstellung mit dem Landesförderinstitut Mecklenburg-Vorpommern (LFI) zusammengearbeitet.
Das ist der zentrale Förderdienstleister des Landes Mecklenburg-Vorpommern und damit erster Ansprechpartner für Förderinstrumente aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, denn diese werden in Deutschland grundsätzlich von den Bundesländern umgesetzt. Wer einen Antrag auf EU-Fördermittel stellen will, wendet sich also nicht an eine EU-Stelle, sondern an sein Bundesland – oder an die Stelle, die das Land damit beauftragt hat. Im Fokus der Fördermittel stehen Wirtschaft, Wohnungs- und Städtebau sowie Umwelt, Energie und Landwirtschaft.
Wie finde ich das richtige Förderinstrument?
Die Suche nach dem geeigneten Förderinstrument gestaltet sich im Beispiel Mecklenburg-Vorpommern einfach: Das Landesförderinstitut hält eine Datenbank aller möglichen und aktuellen Förderprogramme vor, die unter dem Stichwort „Förderfinder“ auf der Internetseite des Instituts auffindbar ist. Mitarbeiter*innen von Kommunen können dort beispielsweise einfach „Kommunen“ auswählen und im Anschluss einen Förderzweck auswählen, wie etwa „Nutzung erneuerbarer Energien“.
Die Datenbank gibt automatisch die infrage kommenden Förderinstrumente aus, dazu gehören auch Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Die Internetseite des Instituts zeigt automatisch Merkblätter, Antragsformulare, Mittelanforderungsformulare und dergleichen mehr. Andere Bundesländer halten die Informationen anders vor, da die Länder selbst entscheiden können, welche Behörde für die EU-Mittel zuständig ist.
Wie stelle ich den Antrag richtig?
Einfach die Antragsunterlagen runterladen, ausfüllen und einsenden: Ganz so einfach kann man es sich zwar machen, doch die Chancen auf Fördermittel steigen, wenn man den zuständigen Behörden entgegenkommt. Es kommt nämlich nicht nur darauf an, dass das zu fördernde Vorhaben tatsächlich zu den Richtlinien des jeweiligen Förderinstruments passt, diese Passung muss auch vor dem Förderinstitut klar und eindeutig dargestellt werden.
Die Erfolgsaussichten steigen laut Auskunft des Landesförderinstituts Mecklenburg-Vorpommern, wenn man auf Kolleg*innen oder Berater*innen zurückgreift, die schon mal erfolgreich einen Antrag auf EU-Fördermittel gestellt haben. Ansonsten riskiere man, zu viel unnötige Arbeit in ein Projekt zu investieren. Planungsbüros kommen hier laut Förderinstitut infrage, ebenso wie die Hersteller von entsprechenden Anlagen oder Infrastruktur.
Auch die Mitarbeiter*innen des Förderinstituts selbst helfen gerne beim Ausfüllen, etwa bei einem Termin vor Ort, um ein ganzes Projekt gemeinsam durchzusprechen, so das Landesförderinstitut (LFI). Dabei kann sich dann herausstellen – wie im Beispiel der Geothermie der Stadtwerke Schwerin – , welche Bestandteile des Projekts förderfähig sind und welche nicht.
Wie geht es nach Antragstellung weiter?
„Sind die Mittel beantragt, erfolgt eine Prüfung des Fördermittelantrags beim LFI“, sagt Nils Schalke, Gruppenleiter Finanzbuchhaltung bei den Stadtwerken Schwerin. Der Antrag enthalte zum Beispiel die geschätzten Investitionskosten sowie den Zeitraum, in dem das Investitionsgut voraussichtlich hergestellt werde. Und: „Wird das Projekt als förderfähig bestätigt, erhält man einen entsprechenden Fördermittelbescheid. Es folgt die Bauphase“, so Schalke.
In der Regel fließen die Fördermittel nicht automatisch, der Empfänger muss diese nach und nach beantragen. Auszahlungen sind nachzuweisen, etwa durch Rechnungen oder durch Zahlungsnachweise aus dem eigenen Buchhaltungssystem. Das kann beim LFI online gemacht werden.
Klingt gar nicht so kompliziert. Warum heißt es dann oft, EU-Fördermittel seien so unübersichtlich?
„EU-Fördermittel werden in der Regel über Bundesländer abgebildet“, sagt Dr. Peter-Christian Zinn. Er ist Astrophysiker und Managing Director beim Industrial Analytics Lab, ein Unternehmen aus Bochum in Nordrhein-Westfalen, das Unternehmen rund um Digitalisierung berät. „Wir beantragen gemeinsam mit Unternehmen häufig solche Förderungen“, so Zinn, „und die Förderinstitute der Länder haben sich als gute erste Anlaufstellen herauskristallisiert. Am besten ist, man arbeitet mit jemandem zusammen, der das schon mal gemacht hat.“
Die gefühlte Unübersichtlichkeit ergibt sich oft aus der schieren Fülle der möglichen Förderinstrumente und den vielen zuständigen Behörden. Jedes Bundesland regelt die Zuständigkeiten oft ein bisschen anders, je nach Vorhaben, Antragsteller oder Fonds. Die Website zu Fördermitteln und Zuschüssen der Europäischen Union bietet einen ersten Überblick für Interessenten.
Um die Suche zu vereinfachen, haben viele Bundesländer ähnliche Webseiten wie das Landesförderinstitut Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Förderfinder geschaltet. Das gilt vor allem für die aktuell laufende Förderperiode 2021-2027. In dieser wird Mecklenburg-Vorpommern, um ein Beispiel zu nennen, mit 1,258 Milliarden Euro aus dem EFRE-Fonds und dem Europäischen Sozialfonds+ (ESF+) gefördert.
In Schwerin hat die EU-Förderung dazu beigetragen, den Traum von klimaschonender Wärme ein Stück weit wahr werden zu lassen. Schon im Jahr 2023 soll die Geothermie-Anlage arbeiten. Zusammen mit der stadtwerkeeigenen Biogasanlage können dann 20 Prozent der Fernwärme für die Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern aus regenerativen Quellen gewonnen werden.
Tim Müßle