Die Pelješac-Brücke ist ein gigantisches Infrastrukturprojekt. Sie verbindet den südlichsten Teil Kroatiens und Dubrovnik mit dem Rest des kroatischen Festlandes und überquert die Bucht von Male Ston über die Adria. Das macht es vielen Bürger*innen Kroatiens möglich, schneller von Dubrovnik nach Split und umgekehrt zu kommen. Bisher war das nur über den Landweg möglich, wo sie die Grenze zu Bosnien-Herzegowina passieren mussten und damit das Gebiet der EU verlassen. Entsprechend waren Personen- und Zollkontrollen notwendig, was vor allem für den Transitverkehr nachteilig war. Aber nicht nur der Verkehr läuft nun seit dem 26. Juli 2022 erheblich einfacher, auch wirtschaftlich gesehen dürfte ein Aufschwung für die Region folgen.
China baut in Europa
Der Auftrag, die Pelješac-Brücke zu bauen, ging an eine chinesische Staatsfirma. Das Unternehmen hatte sich gegen seine Mitbewerber durchgesetzt: Es konnte sowohl eine wesentlich günstigere Bausumme als auch eine um 6 Monate kürzere Bauzeit als die Konkurrenz veranschlagen. Die EU-Kommission hatte zuvor den von Kroatien eingereichten Projektantrag für die EU-Kofinanzierung der Pelješac-Brücke darauf geprüft, ob alle Anforderungen und Verfahrensschritte gemäß den kohäsionspolitischen Verordnungen eingehalten wurden. Also alles okay soweit.
Im Bericht des ZDF über die Eröffnung der Brücke tauchten dann allerdings Meldungen darüber auf, dass China gegen Arbeitnehmerrechte verstoßen hätte: So sei nicht der ortsübliche Lohn gezahlt worden und die Arbeiter hätten ihre Unterkünfte nicht verlassen dürfen. Die Europäische Akademie wollte dem nachgehen und wandte sich an die EU-Kommission.
Die EU-Kommission gibt Auskunft
Auf Anfrage antwortete der Sprecherdienst der EU-Kommission: „Den Zuschlag erhält das wirtschaftlich günstigste Angebot nach einem Verfahren, das den Grundsätzen der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung entsprechen muss. Um sicherzustellen, dass diese Grundsätze unter wirklich gleichen Bedingungen angewandt werden können, ergreifen wir auch legislative Maßnahmen auf EU-Ebene. Die Verordnung über ausländische Subventionen, auf die sich die Mitgesetzgeber Ende Juni geeinigt haben, wird es der Kommission ermöglichen, die Situation von Wirtschaftsteilnehmern zu untersuchen, die ausländische Subventionen aus Drittländern erhalten, und zu verhindern, dass diese den Wettbewerb um öffentliche Aufträge in der EU verzerren.“
Dass Unternehmen und Staatsfirmen aus Nicht-EU-Ländern Aufträge, die im Rahmen der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds vergeben werden, übernehmen können, ist durch das EU-Recht geregelt. Umgekehrt sieht es jedoch anders aus. China gehört beispielsweise zu den Ländern, die es europäischen Unternehmen nicht gestatten, sich als Auftragnehmer um Bauprojekte in China zu bewerben.
Marktöffnung bedeutet Wettbewerb
Die EU-Kommission setzt sich allerdings dafür ein, dass das nicht so bleibt. Auch EU-Unternehmen sollen einen gegenseitigen Zugang erhalten. „Dies geschieht durch die Ausweitung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen in der Welthandelsorganisation WTO und durch bilaterale Handelsabkommen“, so der Sprecherdienst der EU-Kommission. „Der überarbeitete Vorschlag für ein internationales Beschaffungsinstrument, den die Kommission 2016 vorgelegt hat, soll zur Marktöffnung und zu gleichberechtigtem Wettbewerb beitragen. Er würde es der Kommission ermöglichen, in Fällen angeblicher Diskriminierung von EU-Unternehmen auf den Beschaffungsmärkten Maßnahmen zu ergreifen. Die EU unterstützt die chinesischen Bemühungen, dem WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen beizutreten, das einen gegenseitigen Marktzugang gewährleisten würde.“
Ob beim Bau tatsächlich gegen Arbeitnehmerrechte verstoßen wurde, konnte nicht abschließend geklärt werden.
Diane Schöppe