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Mitarbeiter einer Logistikfirma steht in einer Lagerhalle

Lieferkettengesetz: Neue Herausforderungen im Vergabeverfahren

Öffentliche Vergabestellen haben es ab dem 1. Januar 2023 mit einer neuen Herausforderung zu tun. Denn ab diesem Tag tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden müssen dann zusätzlich zu ihren bisherigen Pflichten die Vorgaben aus elf verschiedenen Menschenrechtsübereinkommen beachten. Dies betrifft nicht nur den eigenen Geschäftsbereich, sondern auch das Handeln von Vertragspartnern sowie weiterer mittelbarer Zulieferer entlang der Lieferkette. Die Einhaltung dieser Pflichten wirkt sich auch auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen aus.

„Unter bestimmten Umständen können Bieter vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn bei ihnen schon einmal ein rechtskräftiger Verstoß gegen die Pflichten aus dem LkSG festgestellt worden ist“, sagt Christoph Engel, Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei Schweizer Legal. Bieter sind dann bis zu einer nachgewiesenen Selbstreinigung von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen, längstens jedoch bis zu drei Jahre. Allerdings gilt das erst, wenn gegenüber den Bietern Bußgelder in Höhe von mindestens 175.000 Euro verhängt worden sind. Diese Bußgelder müssen in Zukunft im Wettbewerbsregister eingetragen werden. Öffentliche Auftraggeber müssen bei Auftragswerten über 30.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) überprüfen, ob ein Eintrag besteht.

Lieferkettengesetz wirkt sich auf die öffentliche Vergabe aus

„Da es nicht unbedingt zu erwarten ist, dass mit dem Inkrafttreten des Gesetzes sofort derartig hohe Bußgelder verhängt werden, wird es auf absehbare Zeit eher selten Ausschlüsse vom Vergabeverfahren geben“, sagt Christoph Engel. „Stattdessen wird hier eine neue bürokratische Schleife in Vergabeverfahren eingezogen. Diese trägt zu dem verfolgten Ziel, mehr auf menschenrechtliche Pflichten in der Lieferkette zu achten, eher wenig bei.“

Dabei sollte das LkSG endlich der große Schritt nach vorn sein: Mit dem Gesetz werden die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umgesetzt, zu denen sich Deutschland schon vor über zehn Jahren verpflichtet hatte. Erst 2016 wurde daraufhin in Deutschland ein Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet, der auf eine Selbstverpflichtung der deutschen Unternehmen baute. Das Ergebnis: In einer Unternehmensbefragung 2019 erfüllten lediglich 20 Prozent der befragten Unternehmen die Kriterien. Die Selbstverpflichtung hatte nicht gereicht.

Verbot von Kinderarbeit, fehlender Gesundheitsschutz wird geahndet

Das LkSG gilt zuerst für Unternehmen mit mehr als 3.000, dann ein Jahr später für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden. Die Sorgfaltspflichten umfassen unter anderem die Verbote von Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit, die Missachtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und die Vorenthaltung eines angemessenen Lohns. Die Bußgelder bei Verstößen sind umfangreich und können bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes betragen.

Pflichten in der Lieferkette müssen überprüft werden

Sobald die öffentliche Hand selbst unternehmerisch tätig wird, etwa durch Stadtwerke oder Krankenhäuser, gelten die Regeln für sie unmittelbar. Das heißt, sie ist selbst verpflichtet, die Einhaltung der Pflichten in ihrer Lieferkette zu überprüfen. Dann müssen die durchzusetzenden Pflichten in den Vergabeunterlagen implementiert werden. Bei der Auswahl der Bieter sind die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Erwartungen zu berücksichtigen. Ebenfalls enthalten muss die Zusicherung der Einhaltung der Pflichten sein, entsprechende Zertifizierungen sollten verlangt und auch Sanktionen und Kontrollmöglichkeiten definiert werden.

Vergaberechtlerin: Vorgaben bereits jetzt ernst nehmen

Katharina Strauß ist Fachanwältin für Vergaberecht bei der Kanzlei Kunz Rechtsanwälte. Sie betrachtet das Thema vor allem aus Bieterseite. „Ich betreue verschiedene Mandanten bei Vergabeverfahren. Das LkSG spielte aber bislang noch keine Rolle“, sagt Strauß. Dabei müssten aus ihrer Sicht entsprechende Vorgaben und Nachweise schon jetzt in den Verfahren berücksichtigt werden, um dann später auch Vertragsgegenstand zu werden. „Es scheint, als würde es bei den zuständigen Stellen eher um die Frage gehen, wie man um dieses Thema herumkommt.“

Die von ihr betreuten Unternehmen seien bei der Umsetzung der Vorgaben aus dem LkSG zum Teil schon sehr weit. „Natürlich wäre es schön, wenn das auch im Vergabeverfahren berücksichtigt würde.“

Klimaschutz - ein übergeordnetes Ziele im Vergabeverfahren

Auch unabhängig vom LkSG ist es möglich, im Vergabeverfahren übergeordnete Ziele zu formulieren. „Zum Teil kennen wir das von Landesgesetzen, die festlegen, dass bei der Vergabe auch Klimaziele beachtet werden müssen oder die Einhaltung eines Mindestlohnes“, sagt Christoph Engel. Hier besteht allerdings das Problem, dass sich diese Ziele nie auf das beauftragte Unternehmen als Ganzes beziehen dürfen, sondern nur auf die Herstellung des jeweiligen Produktes. „Das ist rein praktisch gar nicht so einfach, da viele Produktionsprozesse ineinandergreifen und nicht voneinander zu trennen sind“, sagt Engel.

Können Vergabestellen alles überprüfen?

Grundsätzlich sei die Idee, die Marktmacht der öffentlichen Hand zu nutzen, um sozial- oder umweltpolitische Zwecke zu verfolgen, per se nicht schlecht, meint der Rechtsanwalt. „Die Gefahr besteht allerdings, dass die öffentliche Hand mit diesen Zwecken überfrachtet wird und die Vergabestellen überfordert sind.“ Denke man an Landkreise, Kommunen oder gar Schulen, sei schnell klar, dass diese gar nicht über die Fähigkeiten und erst recht nicht die Kapazitäten verfügten, die Einhaltung der Vorgaben zu überprüfen.

Henning Zander

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