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Drei Student*innen schauen in Lehrbücher in einem Hörsaal

Numerus Clausus III: Was bedeuten die Entscheidungen des Bundesverfassungs-gerichts?

Das neue Zugangs- und Zulassungsrecht zu begehrten Studiengängen schafft in manchen Bereichen mehr Klarheit, lässt aber immer noch viele Fragen offen. So bietet auch das neue Recht immer noch genügend Spielraum für aufwändige und kostspielige Studienplatzklagen und Gerichtsverfahren.

Das Recht auf Berufsfreiheit ist in Deutschland im Grundgesetz verankert – ebenso wie der Gleichheitsgrundsatz und das Sozialstaatsprinzip. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Zulassungsbeschränkungen zu einem Hochschulstudium in der Praxis in manchen Bereichen nicht nur aufgrund von Kapazitätsengpässen unumgänglich sind. Seit der Einführung des Numerus Clausus im Jahr 1972 wirft die Umsetzung des Zugangs- und Zulassungsrechts viele Fragen auf – von der unterschiedlichen Handhabung in den einzelnen Bundesländern bis hin zu den Auswahlkriterien für die Bewerber:innen. Der Numerus Clausus hat seit seiner Einführung für viel Diskussionsstoff und zahlreiche juristische Verfahren gesorgt. Das soll sich nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun ändern. Ist es damit gelungen, alle Schwächen der bisherigen Numerus-Clausus-Regelung zu beseitigen?

Wie lässt sich der Numerus Clausus gerechter gestalten?

Bei der Zulassung zu einem gefragten Studienplatz müssen mehrere Probleme gelöst werden. Dabei geht es nicht nur um die unterschiedlichen Gewichtungen bei den Abiturnoten in den verschiedenen Bundesländern (Stichwort: „Nord-Süd-Gefälle“), sondern auch um die Berücksichtigung von Mehrfachbewerbungen an verschiedenen Universitäten. Ebenfalls problematisch: die langen Wartezeiten, die manche Bewerber:innen auf einen Studienplatz hinnehmen mussten – oft überschritten diese sogar die Regelstudienzeit im angestrebten Studienfach.

Bewerber ruft Bundesverfassungsgericht auf den Plan

Der Studienplatzbewerber Lukas Jäger, der unbedingt Medizin studieren wollte, klagte daher gegen die bisherigen Zulassungsbeschränkungen für das Studium der Humanmedizin. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Dezember 2017: Die bisherige Praxis bei der Zulassung zum Studium der Humanmedizin ist mit Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Bemängelt wurde unter anderem, dass das bisherige Auswahlverfahren nicht transparent genug wäre und keine Chancengleichheit für die Bewerber*innen sicherstellen würde.

Numerus Clausus III: Ende der Übergangsphase 

Seit September 2020 sind nun die neuen Regelungen für die Zugangs- und Zulassungsberechtigung an deutschen Hochschulen in Kraft und stellen die Bildungsträger vor neue Herausforderungen – insbesondere wenn es um die Rechtssicherheit bei der Zulassung oder Ablehnung von Studienplatzbewerber:innen geht. Das Bundesverfassungsgericht hat die Eignung als Hauptkriterium für die Studienplatzvergabe definiert – nach Abzug der Vorabquote gilt daher nun folgendes Drei-Säulen-Modell:

  • 30 Prozent nach Abiturbestenquote
  • 10 Prozent nach Eignungsquote, nachgewiesen etwa durch einen Eignungstest, durch eine vorher absolvierte fachbezogene Berufsausbildung, geleistete Dienste oder eine erfolgreiche Teilnahme an Wettbewerben wie „Jugend forscht“
  • 60 Prozent nach Auswahlverfahren der Hochschule

Ein Problem stellt nach wie vor die Vergleichbarkeit der Abiturbestenquoten aus den verschiedenen Bundesländern dar, die durch die komplexe Ermittlung einer Bundesquote aus 16 Landesquoten gewährleistet werden soll. Immerhin gehört zu den zentralen Vorgaben des Verfassungsgerichtsurteils von 2017, dass das Notengefälle zwischen den einzelnen Bundesländern bei der Studienplatzvergabe „herausgerechnet“ werden muss.

Universität Leipzig: Best Practices bei der Studienplatzvergabe

Bei der Umsetzung der Neuregelungen liefen an der Universität Leipzig alle Fäden bei Dr. Klaus Arnold, dem Leiter des Studierendensekretariats, zusammen. Er koordinierte Vorschläge der Studiendekane und aus den Studiengängen, bevor eingesetzte Gremien über die Details in der Umsetzung des neuen Verfahrens zur Studienplatzvergabe entschieden. „Das alles war kein Hexenwerk“, konstatiert Dr. Arnold, „zumal die meisten Aspekte des neuen Rechts bei Human- und Zahnmedizin bereits implementiert waren. Die größte Schwierigkeit war für uns der knappe zeitliche Rahmen, während sich die inhaltlichen Herausforderungen eher moderat darstellten. Wichtig war, die Umsetzung frühzeitig und vorausschauend anzugehen.“

Begehrte Studienplätze erfordern schlankes Auswahlverfahren

In der Übergangsphase vom alten zum neuen System stand für Dr. Arnold die Praktikabilität des Auswahlverfahrens im Fokus. Man versuchte, ein möglichst einfaches und schnelles Procedere „ohne Extrawürste“ zu realisieren. „Unser Ziel war, unnötigen Aufwand und Bürokratie zu vermeiden, wo es ging. Deshalb haben wir auch in den vergangenen zwei Jahren auf Einzelauswahlgespräche verzichtet und werden das auch künftig tun. Hier gilt es, Aufwand und Nutzen abzuwägen, und die Erfahrung hat gezeigt, dass Einzelgespräche keinen Mehrwert bringen. Immerhin haben wir durchschnittlich 30.000 Bewerbungen auf circa 400 Studienplätze.“ Dass der Verzicht auf Einzelgespräche keine fundamentalen Nachteile bringt, zeigt die Erfolgsquote der Universität Leipzig in den Fächern Pharmazie, Human- und Zahnmedizin: „95 Prozent unserer Studierenden schließen ihr Studium in Leipzig erfolgreich ab. Darauf sind wir stolz. Und bei der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber erweist sich doch die Abiturnote immer wieder als ein verlässliches Kriterium“, sagt Dr. Arnold.

Digitalisierung und Standardisierung beschleunigen Vergabeprozesse

Statt individueller Auswahlgespräche setzt die Universität Leipzig auf ein digitalisiertes System mit einer Software, bei der das Zentrale Verfahren zur Vergabe der Medizinerstudienplätze in das bestehende DoSV-Verfahren integriert wurde. Ergänzend nutzt man bundesweit standardisierte Mediziner-Tests. „Überhaupt wäre die Entwicklung von standardisierten Eignungstests für alle Studiengänge mit hohem Aufkommen an Bewerber:innen wünschenswert – zum Beispiel für Psychologie. Aber das wurde von vielen Hochschulen noch nicht fristgerecht umgesetzt“, merkt Dr. Arnold an.

Bürokratie und Länderkompetenzen nach wie vor ein Hemmschuh

Und wo liegen derzeit noch die größten Hürden bei der gerechten Studienplatzvergabe? „Die Gesetzgebung lässt uns genügend Freiräume“, bemerkt Dr. Arnold. „Es hakt allenfalls bei der technischen Umsetzung. Der manuelle Aufwand, die unterschiedlichen Bewerbergruppen abzuarbeiten, ist immer noch zu hoch. Problematisch sind auch die vielfältigen Kompetenzen und unterschiedlichen Kriterien der 16 Bundesländer, die sich nur mit viel Bürokratie unter einen Hut bringen lassen. Deshalb plädiere ich dafür, das auch für Bewerberinnen und Bewerber bislang verwirrende Verfahren der Studienplatzvergabe künftig so einfach und standardisiert wie möglich zu gestalten. Das sorgt nicht nur für mehr Transparenz, sondern kann auch viele Prozesse beschleunigen.“

Wie lässt sich eine rechtssichere Studienplatzvergabe gewährleisten?

Das neue Zugangs- und Zulassungsrecht zu begehrten Studiengängen schafft in manchen Bereichen mehr Klarheit, lässt aber immer noch viele Fragen offen. So bietet auch das neue Recht immer noch genügend Spielraum für aufwendige und kostspielige Studienplatzklagen und Gerichtsverfahren.

  

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