Ämter, Städte und Kommunen sind nach wie vor verunsichert, wenn es um die Nutzung von Social Media geht. Eine der größten Berliner Behörden, die Polizei Berlin, ist auf den sozialen Medien rund um die Uhr im Einsatz. Die Kolleg*innen des Social Media Teams informieren über Vorfälle, bitten um Mithilfe bei der Fahndung und leisten Präventionsarbeit. Und möchten das auch in Zukunft tun. Wie die Berliner Polizei auf moderne Behördenkommunikation schaut, fragten wir Teamleiterin Monique Pilgrimm. Sie findet: „Eine Bürgerkommunikation ohne Social-Media-Plattformen ist heutzutage nicht mehr möglich“. Lesen Sie hier den ersten Teil unseres Social Media Updates.
Interview
Städte und Kommunen sorgen sich darum, dass sie ihre Facebook-Aktivitäten demnächst einstellen müssen. Wie blickt die Polizei Berlin auf den Konflikt zwischen Bürgernähe via Social Media und Datenschutz?
Monique Pilgrimm: Dass die Social-Media-Plattformen datenschutzkritisch sind, steht völlig außer Frage. Mit dem Konflikt gehen wir zum Beispiel so um, dass wir keine wirklich relevanten und wichtigen Inhalte für die Bürgerinnen und Bürger exklusiv auf diesen Plattformen bringen. Wir wollen Menschen nicht extra dazu animieren, auf Facebook, Twitter oder Instagram zu gehen, damit sie polizeiliche Inhalte sehen können. Wir betreiben eine datenschutzkonforme Webseite, auf der relevante polizeiliche Inhalte abrufbar sind - auch im Krisenfall.
Das ist ja auch ein Kritikpunkt der Datenschutzbeauftragten: Jede öffentliche Stelle, die dort Inhalte bringt, würde die Leute auf Social Media treiben. Unsere Argumentation ist: Wir stellen Inhalte zur Verfügung für die Menschen, die dort sind. Also all jene, die mit den Datenschutzbestimmungen dieser Plattformen vertraut sind und sich entschieden haben, dass es ihnen im Zweifel egal ist, wie viele Daten sie von sich preisgeben. Sie stimmen den Datenschutzbestimmungen ja zu, wenn sie dort einen Account haben.
Zurzeit läuft die gerichtliche Klärung des Sachverhalts. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz hatte im Februar 2023 das Bundespresseamt (BPA), das die Facebook-Fanpage der Bundesregierung betreibt, aufgefordert, die Seite einzustellen. Daraufhin hat das BPA Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Die Klage hat aufschiebende Wirkung, sodass das BPA die Fanpage vorläufig bis zum Ausgang des gerichtlichen Verfahrens weiter betreiben kann.
Eine gerichtliche Klärung hätte ich schon Jahre früher erwartet, denn der Konflikt zieht sich schon eine Weile hin. Sicherlich wird das Verfahren ein bis zwei Jahre dauern und daher sagen wir als Polizei Berlin: So lange diese Plattformen für die Bürger*innen attraktiv sind und es keine gerichtliche Entscheidung dagegen gibt, bleibt es bei unserem normalen Nutzungsverhalten. Wir werten die Daten nicht aus, die Facebook uns anbietet. Außer der Reichweite schauen wir uns die Daten nicht an, auch um unsere Nutzer*innen zu schützen.
Kommt es auch mal vor, dass Nutzer*innen mit ihren Daten fahrlässig umgehen?
Wir haben eine Netiquette, in der wir darauf hinweisen, dass man seine persönlichen Daten nicht angeben soll. Wenn uns Menschen via Social Media kontaktieren – etwa weil sie Anzeige erstatten wollen – dann verweisen wir sie auf die offiziellen Kommunikationswege. Dort sind ihre Daten sicher.
Gab es in der Polizei Berlin die Überlegung, sich von Social Media zu trennen?
Bei uns ist Thema Datenschutz in der Internen Revision angedockt. Von dort kommt in regelmäßigen Abständen die Bitte um Stellungnahme. Den Kolleg*innen teilen wir dann mit: Eine Bürgerkommunikation ohne Social-Media-Plattformen ist heutzutage nicht mehr möglich. Und dass wir diese polizeiliche Aufgabe so datenschutzkonform wie möglich wahrnehmen. Unsere Argumentation hat bisher nicht dazu geführt, dass eine behördliche Entscheidung dazu getroffen wurde, die Plattformen abzuschalten. Unsere Behörde zieht da immer noch mit.
Die Berliner Polizei bespielt eine ganze Reihe von Social Media Kanälen. Wie schaffen Sie es, ihre Infos und Botschaften zielgruppengerecht aufzubereiten?
Ganz viele Themen sind einfach durch das Einsatzgeschehen abgedeckt. Der Content entsteht ja sozusagen auf der Straße. Daher ist immer für alle Zielgruppen etwas dabei ist. Wir entscheiden letztendlich nur, für welche Zielgruppe das passt. Je nach Entscheidung kommt die Nachricht dann auf Facebook, Twitter oder Instagram.
Das ist ein Vorteil, den vielleicht andere Behörden oder Städte und Gemeinden nicht haben. Dafür haben wir den Nachteil, dass wir sehr viel kritische Kommunikation haben. Etwa wenn wir unsere Beiträge gendern oder Inhalte mit sichergestellten Drogen bringen, dann haben wir sofort einen kleinen Shitstorm. Es sind sehr viele genderkritische Menschen und viele aus der Legalize-Community auf den sozialen Kanälen unterwegs.
Wir lernen Sie Ihre Zielgruppen kennen?
Zielgruppen lernt man relativ gut kennen über die jahrelange Social-Media-Arbeit. So kann man gut einschätzen: In welche Community passt das? Wo geht das Thema besonders viral? Am Ende geht es ja auch immer um Viralität. Nach einer Weile weiß man dann, wo passt der Raser hin und wo der Drogenfund. Und wo bringt Prävention am meisten? Das hängt ja auch mit der Altersgruppe und der Zusammensetzung der Plattform zusammen. Unser Erfahrungsschatz ist inzwischen sehr groß, wir machen das ja schon ein paar Jahre.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Diane Schöppe