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Junge Bloggerin mit Smartphone in der Hand, um sie herum schwirren Likes und Emojis.
Für die Generation Z müssen Bewerbungsverfahren medienbruchfrei ablaufen. Wer auf TikTok und Instagram um sie wirbt, muss auch dort ihre Fragen beantworten.

Social Recruiting im öffentlichen Dienst: Die Polizei Berlin auf TikTok

Wie viele Behörden und Verwaltungen, so kämpft auch die Polizei Berlin mit Nachwuchssorgen. Doch schon früh hat sich die Behörde etwas einfallen lassen, um für sich zu werben. Online ist man äußerst erfolgreich aufgestellt, es gibt Kanäle auf TikTok und Instagram, denen 600.000 bzw. 50.000 Menschen folgen. Im Interview erfahren wir von Monique Pilgrimm, Social Media Teamlead bei der Polizei Berlin, woher der Erfolg rührt und wie wichtig es im Social Recruiting ist, Fragen dort zu beantworten, wo sie gestellt werden.

Interview

Frau Pilgrimm, die Polizei Berlin hat jüngst den Deutschen Preis für Onlinekommunikation 2023 erhalten. Und das gleich in zwei Kategorien: Zum einen wurde der TikTok-Livestream in der Kategorie Digitales Event ausgezeichnet, zum anderen der Instagram-Kanal polizeiberlin.mario, auf dem Polizeiobermeister Mario Langner aus dem Einstellungsbüro zu Bewerbungsverfahren, Ausbildung und Studium berät.

Monique Pilgrimm: Ja, dazu gratuliere ich dem Team des Social Recruiting ausdrücklich. Das Konzept der Polizei Berlin, die Generation Z mithilfe von Social Media als Nachwuchs für uns zu begeistern, geht auf. Bis zu 120.000 Zuschauende verfolgen die digitale Berufsberatung, die per Live-Stream über TikTok stattfindet. Übrigens werden auch die Livestreams von Mario Langner moderiert.

Was ist das Erfolgsgeheimnis für den TikTok-Kanal der Polizei Berlin?

Wir setzen uns innerhalb der Polizei schon seit vielen Jahren mit der Modernisierung des Recruitings auseinander: Wie sehen moderne Einstellungs- und Bewerbungsverfahren heute aus? Wie spreche ich meine Zielgruppe überhaupt an? Anfangs wurde für all die Recruiting-Fragen eine Projektgruppe gebildet, aus dieser wurde dann eine Dienststelle, die sich nur mit dem Nachwuchs- und Bewerbungsgeschehen beschäftigt. Dazu gehören auch das Social Recruiting über den TikTok-Kanal und der Kanal von Mario.

Die Fragen, die die Nutzer*innen auf TikTok stellen – wer beantwortet sie?

Die Kolleg*innen aus dieser Dienststelle. Und sie bekommen sehr viele Fragen: „Wie ist es bei euch mit einer Tätowierung?“ „Habt ihr eine Mindestgröße?“ „Was brauche ich für einen Schulabschluss?“ „Wie ziehe ich mich zum Vorstellungsgespräch an?“ Diese Fragen hatten und haben wir auch auf den Hauptkanälen, nun können wir sie fachlich im Social-Recruiting-Team bündeln. Die Kolleg*innen schauen auch, ob es bei den Fragen einen bestimmten Fokus gibt. Dann lässt sich das prima mit einem TikTok-Video beantworten.

Ich finde es interessant, dass das Social-Media-Team nichts mit dem TikTok-Kanal zu tun hat. Dass dieser allein von den Kolleg*innen aus dem Einstellungsbüro betreut wird.

Ja, das ist auch nicht immer einfach. Zum einen funktioniert der Kanal wunderbar. Zum anderen fehlt manchmal die engere Abstimmung, weil TikTok nicht innerhalb der Social Media Strategie stattfindet. Gesamtbehördliche Themen und Krisen haben einen Einfluss auf die Social-Media-Kommunikation. Das ist im Präsidium dann präsent, nicht aber immer in der Personalabteilung. Auch unseren Kolleginnen und Kollegen ist diese Trennung nicht bewusst, was manchmal zu Missverständnissen führt. Grundsätzlich wird aber eine spezielle Zielgruppe angesprochen, und dieser sollte aufgrund der großen Bedeutung des Recruitings auch besonders viel fachliche Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Wie ist es mit Corporate Influencer*innen? Sind für die Polizei Berlin welche im Einsatz?

Den einzigen personifizierten Social-Media-Kanal betreibt unser Kollege Mario Langner auf Instagram. Auch hier ist er in seiner Funktion als Berufsberater. Der Account hat sich zwar zu einem klassischen Corporate Influencer entwickelt, aber strategisch war er so nicht angelegt.

Was war stattdessen geplant?

Wir wollten einen Medienbruch vermeiden. Uns war klar und wir spürten das über mehrere Jahre auf dem Hauptkanal: Wenn wir auf Instagram Werbung für den Beruf machen, bekommen wir auch dort die Fragen zum Beruf. Die jungen Leute dann ans Einstellungsbüro zu verweisen, das funktioniert einfach nicht sehr gut. Kaum ein junger Mensch macht heutzutage mehr einen Medienbruch mit und ruft dann an oder schreibt eine E-Mail. Das ist einfach out und ehrlicherweise auch nicht mehr zeitgemäß.

Daher passt Mario wunderbar. Er arbeitet offiziell im Einstellungsbüro und beantwortet genau diese Fragen, die dort auch auf allen anderen Kommunikationswegen beantwortet werden. Und das ist ein richtiger Erfolg. Er geht mehrmals die Woche live und beantwortet alle Fragen zum Einstellungsverfahren. Natürlich wurde er damit auch ein Gesicht der Polizei Berlin und in gewisser Weise Corporate Influencer. Er ist aber der einzige. 

Der Polizist „Officer Denny“, dem erst der Arbeitgeber und dann auch das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einen Auftritt in den Sozialen Medien verboten hatten, war kein offizieller Influencer?

Nein, das war er nicht. Er war privat auf YouTube, Instagram und TikTok und hat dort über sein Leben und auch seine Arbeit berichtet. Aber nicht im Auftrag der Polizei.  

Würden Sie Ämtern und Behörden empfehlen, Corporate Influencer zu nutzen?

Grundsätzlich glaube ich, dass Corporate Influencer Gold wert sind für die Behördenkommunikation. Durch sie bekommt die anonyme Behörde in der Social Media Welt ein Gesicht. Trotzdem muss man natürlich bedenken: Corporate Influencer können auch Fehler machen, und das fällt auf die Behörde zurück. Wenn eine Kommune überlegt, Corporate Influencer zu nutzen, sollte eine gute Strategie dahinterstecken. Wen nimmt man? Legt man Themen fest? Wie sind die Abstimmungswege? Macht man regelmäßige Re-Calls? Über diese Fragen muss Klarheit herrschen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Diane Schöppe

Monique Pilgrimm ist Kriminalhauptkommissarin bei der Polizei Berlin. Nach Abschluss ihres Studiums 2002 war sie zunächst als Ermittlerin im LKA 1 (Delikte am Menschen) beschäftigt. Dort bearbeitete sie Fälle von Kinderpornografie, sexuellem Missbrauch von Kindern & Branddelikte.

Seit 2015 war sie am Aufbau des Social-Media-Managements beteiligt, seit Frühjahr 2020 leitet sie das Social Media Team, das im Stab Kommunikation beim Polizeipräsidium angegliedert ist. Dort verantwortet und entwickelt sie mit ihrem 5-köpfigen Team die Social-Media-Strategie der Behörde, u.a. in den Themenfeldern Öffentlichkeitsarbeit, Transparenz und Reputation sowie Bürger-, Krisen- und Einsatzkommunikation.

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