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Christoph Stresing, Geschäftsführer des Startup Verbands

Vergabe öffentlicher Aufträge: „Wir brauchen mehr Startup im Staat.“

Der Bundesverband Deutsche Startups hat Mitte August die Report-Reihe „Next Generation“ vorgestellt. In ihr erfasst der Verband gemeinsam mit dem startupdetector systematisch Startup-Neugründungen, der Fokus liegt dabei auf der Dynamik in verschiedenen Regionen. Den Report nahmen wir zum Anlass für ein Interview mit Christoph Stresing, Geschäftsführer des Startup Verbandes, und baten um eine Einschätzung: Wie finden öffentliche Unternehmen und Startups bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Zukunft besser zusammen?

Herr Stresing, die Bundesregierung hat im Juli eine neue Startup-Strategie verabschiedet. Hätte es da aus Ihrer Sicht noch Luft nach oben gegeben? Hätten die Koalitionäre aus SPD, Grünen und FDP beispielsweise den Punkt Vergabe von öffentlichen Aufträgen an junge Unternehmen schärfen können?

Christoph Stresing: Dass die Bundesregierung bereits innerhalb der ersten 100 Tage nach Amtsübernahme begonnen hat, die Startup-Strategie in Angriff zu nehmen und wenige Monate später die Strategie im Bundeskabinett verabschiedet, unterstreicht die große Bedeutung von Startups – für die gesamte Wirtschaft, aber auch für die Bundesregierung selbst.

Sicher hätten wir uns an der einen oder anderen Stelle mehr Konkretisierung und größere Ambitionen gewünscht. In puncto Vergabe sieht die Strategie unter anderem einen E-Marktplatz, den Startup-Beschaffungsindex und die Unterstützung des „Procurement for Government“-Programms des GovTech-Campus vor. Das sind konkrete Maßnahmen. Insgesamt sehen wir in der verabschiedeten Startup-Strategie eine gute Arbeitsgrundlage für die kommenden rund drei Jahre der Ampel-Koalition, um den Startup-Standort weiter nach vorne zu bringen.

Das Land NRW hat mit dem Ideenwettbewerb GovUp.NRW einen Wettbewerb speziell für die Startup-Szene ausgelobt. Gefragt waren konkrete Ideen zur Digitalisierung der Verwaltung. 34 Startups haben sich beteiligt, in die finale Runde kamen neun. Den Gewinnern winken Preisgelder von insgesamt rund 50.000 Euro. Was halten Sie von solchen Wettbewerben?

Um Behörden und Verwaltungsdienstleistungen moderner, digitaler und bürgerfreundlicher zu machen, brauchen wir mehr Startup im Staat. Wettbewerbe sind daher eine gute Möglichkeit, Behörden und Startups enger zusammenzubringen. Zudem können sie insgesamt mehr Aufmerksamkeit für das Thema Public Procurement schaffen. Das ist wichtig, weil die großen Potenziale, die in dem Bereich bestehen, bisher in Deutschland leider nur unzureichend genutzt werden.

Vergabestellen sind an die Regelungen des Vergaberechts gebunden, haben jedoch auch Spielräume. Braucht es insgesamt ein offeneres Mindset der Entscheider*innen für junge Unternehmen?

Ja, absolut. Wir sehen weniger in den gesetzlichen Vorgaben die Schwierigkeiten, sondern eher in dem Vollzug bestehender Regelungen. Ein offenes Mindset in Behörden und Verwaltungen halten wir für den wesentlichen Schlüssel, damit insgesamt mehr Produkte und Dienstleistungen von Startups bei der öffentlichen Vergabe berücksichtigt werden. Wichtig ist dabei, dass die Behördenleitung hier vorangeht und Mitarbeitende ermutigt. Umgekehrt gilt sicher auch, dass mehr Startups den Staat stärker als möglichen Kunden sehen sollten. Insofern gibt es sicher auf beiden Seiten gewisse Vorurteile, die es zu überwinden gilt.

Wie funktioniert das Ökosystem Startup? Was sollten Vergabe-Verantwortliche wissen?

Startups sind agile Einheiten, die aus dem Willen heraus gegründet werden, Probleme zu lösen. Dreh- und Angelpunkt ist daher, bestehende Prozesse kritisch zu hinterfragen und dann zu ändern beziehungsweise dafür Lösungen anzubieten. Hierarchien spielen dabei kaum eine Rolle. All das unterscheidet Startups fundamental von Behörden, die dem Wort nach ja eher auf das „Verwalten“ aus sind. Vergabe-Verantwortliche sollten sich darauf einstellen und Startups und ihren Innovationen mit Offenheit begegnen. Am Ende profitieren davon nicht nur Behörden und Startups, sondern gerade auch Bürger*innen.

Vielen Dank für das Interview, Herr Stresing.

Christoph J. Stresing ist seit Mai 20219 Co-Geschäftsführer beim Bundesverband Deutsche Startups e.V. Dort verantwortet er u.a. die Bereiche Politik, Presse und Research. Zuvor war er stellvertetender Geschäfstführer und Leiter politische Kommunikation beim Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V. (BVK). Seine berufliche Karriere begann der gebürtige Göttinger nach dem Jurastudium in Würzburg, Salamanca (Spanien) und Kiel sowie dem Zweiten Juristischen Staatsexamen am OLG Düsseldorf als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag.

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