Ohne Gelder aus Fördertöpfen geht es nicht. Und immer mehr Geld für Infrastrukturprojekte stammt aus Töpfen der EU. Dabei sind die Zuwendungen sehr oft an besondere Auflagen bei der Vergabe geknüpft. Ein Verstoß gegen diese Auflagen kann sich bitter rächen. Er kann dazu führen, dass die Zuwendung gekürzt wird, manchmal sogar um bis zu 100 Prozent des vermeintlich vergaberechtswidrigen Auftragswertes, sagt Dr. Martin Jansen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht bei der Kanzlei Kapellmann und Partner in Berlin. So kann es sein, dass noch Jahre nach einem beendeten Bauprojekt Gelder von der Kommune zurückgefordert werden können. Die Verjährung hierfür liegt bei EU-Zuwendungen bei 30 Jahren. Die meisten Verantwortlichen werden dann schon die Rente erreicht haben. Ihre Nachkommen sind mit einer bitteren Überraschung konfrontiert.

Vergaberecht bei EU-geförderten Projekten: Auf dünnem Eis
„Das besondere Zuwendungsvergaberecht kann bei jeder Förderung anders sein, das macht es selbst für öffentliche Zuwendungsempfänger so schwierig“, sagt Dr. Jansen. Bei den Zuwendungen befinden sich die Vergabeauflagen in den Allgemeinen Nebenbestimmungen, oft auch in Vergabeleitfäden, in denen der Zuwendungsgeber sein spezielles – oftmals strengeres – Zuwendungsvergaberecht definiert. Das kann sich dann zum Nachteil der Kommune auswirken.
Wenn etwa bei einer freihändigen Vergabe standardmäßig drei geeignete Unternehmen angefragt werden und sich nur eines mit einem Angebot zurückmeldet, ist dies nach dem klassischen Vergaberecht ausreichend. „Wenn dazu aber im Vergabeleitfaden der Zuwendung steht, dass auch tatsächlich drei Angebote vorliegen müssen, um das aktuelle Marktpreisniveau und damit die Wirtschaftlichkeit der Vergabe nachzuweisen, haben wir hier schon einen sanktionierbaren Fehler in der Vergabe“, erklärt der Rechtsanwalt.
Den Zuwendungsbescheid abwarten
Ein weiteres Problem besteht im vorzeitigen Maßnahmenbeginn, also im vorzeitigen Zuschlag nach Projektantragstellung, aber vor Erhalt des Zuwendungsbescheides. Der kann sogar zu einer vollständigen Kürzung der gesamten Zuwendung führen, wenn er nicht zuvor auf Antrag vom Zuwendungsgeber genehmigt wurde. „Der Zuwendungsgeber geht dann davon aus, dass keine Fördermittel erforderlich waren, denn ohne genügend Geld hätte die Kommune ja sonst nicht vorzeitig ausschreiben können“, sagt Dr. Jansen.
Die EU-Binnenmarktrelevanz
Eine Besonderheit von EU-geförderten Projekten ist die EU-Binnenmarktrelevanz. Während im Oberschwellenbereich immer EU-Recht bei der Ausschreibung zu beachten ist, gilt im Unterschwellenbereich eigentlich nur nationales Recht. Das ändert sich, wenn eine EU-Binnenmarktrelevanz besteht.
Das wichtigste Kriterium dafür ist das grenzüberschreitende Interesse. Das kann gegeben sein, wenn ein Auftrag potenziell auch für Unternehmen in benachbarten EU-Mitgliedstaaten interessant ist. Gerade in deutschen Grenzregionen ist diese Frage bedeutend. In der Regel wird die Beachtung der Binnenmarktrelevanz schon als Vergabeauflage definiert. Doch selbst dann, wenn sie nirgendwo ausdrücklich als Vergabeauflage steht, handele es sich um ein sanktionsfähiges EU-Rechtsprinzip, sagt Dr. Jansen. „Deshalb muss bei EU-Förderungen immer auch die spezielle EU-Brille aufgesetzt werden.“
Unionsrecht geht vor nationales Recht
Ein weiteres zentrales Element bei EU-geförderten Vergaben ist der „effet utile“ aus Art. 4 Abs. 3 EUV, der besagt, dass das Unionsrecht das nationale Recht verdrängt. Das wiederum bedeutet, dass Kommunen in EU-Rückforderungsfällen weniger Handlungsspielraum haben, sich gegen die Rückforderung zu wehren. Dr. Jansen weist darauf hin: „Während ich bei rein nationaler Förderung als Zuwendungsempfänger etwa 10 Pfeile im Köcher habe, um erfolgreich gegen eine drohende Rückforderung anzugehen, habe ich im EU-Recht nur noch vielleicht fünf Pfeile.“ In beiden Bereichen sei aber im Rahmen der rechtsfolgenseitigen Ermessensausübung des Zuwendungsgebers stets eine angemessene Einzelfallbetrachtung im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten.
Miteinander reden hilft Fehler zu vermeiden
Für Dr. Jansen ist es wichtig, dass sich Zuwendungsempfänger, also zum Beispiel Kommunen, schon frühzeitig mit den Zuwendungsgebern an einen Tisch setzen und offen miteinander reden. Gut begründet würden Zuwendungsgeber auch Ausnahmen von der vergaberechtlichen Regel zulassen. Ein wichtiges Argument ist der wirtschaftliche Vorteil des konkret geplanten Vergabemodells. Denn der Sinn hinter der Verknüpfung von Zuwendung und Vergabe liegt darin, über das Vergaberecht eine möglichst wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung zu erzielen. Unter Umständen kann das aber auch erreicht werden, wenn Aufträge zusammengezogen als ein Gesamtauftrag ausgeschrieben werden, oder wenn aufgrund gegebener Projektzwänge schon vorzeitig mit einer Ausschreibung begonnen werden muss, um sich günstigere Konditionen zu sichern. Ohne Abstimmung gehe es allerdings nicht.
Doch leider lehnen sich Zuwendungsgeber nicht gerne aus dem Fenster, wenn es um die Einhaltung der Vergabeauflagen aus dem Zuwendungsverhältnis geht. Eigentlich wäre es einfach: Derjenige, der das Geld gibt, erklärt auch die konkreten Bedingungen und steht später für Nachfragen und Abstimmungen bereit. Sachbearbeiter sind hierbei allerdings äußerst vorsichtig, stellt Rechtsanwalt Dr. Jansen fest. „Sie wollen vor der abschließenden Verwendungsnachweisprüfung keine Blaupausen erteilen, weil sie befürchten, dass eine spätere Rückforderung dann am eigenen Mitverschulden scheitert.“ Hier würde er sich mehr Rückhalt der Fördermittelgeber wünschen, da beide Seiten eigentlich dasselbe Ziel verfolgten: Dass die Mittel am Ende auch vollständig im Projekt oder der Institution verbleiben.
Henning Zander
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